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  • Writer's pictureChristof Zurschmitten

Zerfallende Geschichten: Tschechische Animation und die Spiele von Amanita Design

Updated: May 18, 2022


LONG ASS ESSAY Über das tschechische Animationskino, die zwei Gesichter Prags, die Ästhetik des Ruinierten und die Spiele von Amanita Design.

Prag ist eine geteilte Stadt. Wer weiss, wo er suchen muss, kann den Riss sehen, der durch die Moldau-Metropole geht. Auf dem Námestí Republiky, etwa, dem Platz der Republik. Auf der einen Seite wird er begrenzt von einem Turm, der im Spätmittelalter zu keinem genaueren Zweck entstand, als dreihundert Jahre später zerschossen zu werden – und bis heute fortbesteht als einschüchterndes Gemäuer, das die Zerstörungen scheinbar unter dunklem Schorf ausbesserte, der nach der Heilung nie von ihm abfallen wollte. Auf der anderen Seite sein Spiegelbild: das Gemeindehaus, Obecní dum. Das Gegenteil von Zweckfreiheit: Am 28. Oktober 1918 wurde hier die Souveränität der Tschechoslowakischen Republik verkündet. Man kann sich leicht vorstellen, es sei eigens dafür erbaut worden, als einzig gebührlicher Rahmen für die anschliessenden Feierlichkeiten, die nichts weniger dauern sollten als: ewig. Gefeiert wird tatsächlich immer noch in den art nouveau-Hallen, Konzerte werden gegeben, Ausstellungen ausgerichtet, Schöngeistiges gepflegt; doch der Hauptzweck des Obecní dum hat sich gewandelt. Wer die Säulen passiert, die unter dem überlebensgrossen Mosaik einen von verschnörkeltem Eisen gezierten Baldachin tragen, wer die Marmortreppen empor schreitet zum unwahrscheinlich hohen Empfangsraums und die Türsteher in Livree hinter sich lässt, um Platz zu nehmen unter der wuchtigen Opulenz der Deckenbeleuchtung eines Edel-Kaffees voller Stuck und ziseliertem Goldglanz – der wird nicht umhin können, ein luxuriös-seniles Lächeln der Glückseligkeit zu grinsen. Plangemäss, den dies ist der neue Zweck des Gebäudes: es soll beeindrucken, als Zeugnis einer Grösse, die diese Stadt nicht loswerden will. Und doch geht der Riss, der sie zugleich teilt und eint, auch mitten durch das Kaffee: Wer sich nicht betäuben und den Blick schweifen lässt, entdeckt auf dem Flügel des Pianisten, der einen zaghaften Swing spielt, eine Ketchup-Flasche – eine Erinnerung daran, dass die grossartig grössenwahnsinnigen Träume hinter dem echten Marmor und der falschen Dienstbereitschaft der Kellner schon längst zu modern begonnen haben.

 

Verherrlichte Zerstörung und in Zerstörung übergegangene Herrlichkeit – dies sind die zweiten Seiten Prags. Für Angelo Maria Ripellino ist die tschechische Hauptstadt, wie er in seinem Buch „Magisches Prag“ schreibt, ebenso treffend symbolisiert in den legendären Schatzkammern Rudolf II. wie in den „Haufen abgewetzten und bestossenen Trödelkrams der Strassenmärkte, die eine resignierte Trauer ausstrahlen wie die heruntergekommene Einrichtung und das schadhafte Hausgerät eines vielköpfigen Armenhaushalts.“ Die grössten Reichtümer Prags – die Gebäude am Platz der Republik, die Sagen um die rasende Rettergestalt des Golems oder die Siechtum und vernichtenden Selbstzweifeln abgetrotzten Werken Kafkas – sind immer beides zugleich, grenz-morbide Wunder. Doch auch in den kleineren Schätzen wird der Riss deutlich, der durch Prag geht – zum Beispiel in den Spielen von Amanita Design.

Jakub Dovrský, der spätere Gründer von Amanita Design, fand seinen Weg von Brno nach Prag, um Animation zu studieren an der VŠUP, der Akademie für Kunst, Architektur und Design. Die renommierte Schule gilt als Hüter der tschechischen Animationsfilmtradition, mit Jiri Barta gehörte einer ihrer gegenwärtig wichtigsten Erben zu Dovrskýs Lehrmeistern. Von Barta lässt sich tatsächlich viel lernen über die eigenwillige Vorstellung von Schönheit, die im osteuropäischen Trickfilm vorherrscht. Sein jüngstes Werk „Na pude aneb Kdo má dneska narozeniny?“ etwa zeigt eine Gruppe ausrangierter Spielzeuge auf ihrer Suche nach einer ramponierten Puppe mit Knopfaugen. Der Stop-Motion-Film lässt sich mühelos verstehen als direkte Entgegnung auf „Toy Story“ und die im Westen dominierende Pixar-Ästhetik.

Wo die Amerikaner ein Spielzeug rasch charakterisieren müssen, setzen sie auf den Wiedererkennungswert kollektiv konsumierter Marken, wo sie die Glattheit ihrer digitalen Bilder kaschieren wollen, bleibt ihnen nur ein immer haarspalterischerer Realismus im Detail. Bartas Antwort auf beides sind die abgewetzten Oberflächen seiner Spielzeuge, die bestenfalls vage Erinnerungen an Kindertage wecken und deutlich sichtbar durch tausend Hände gegangen sind. Diesen dutzendfach zurechtgeflickten Protagonisten ist die existentielle Angst der „Toy Story“-Figuren fremd, ihren Besitzer nicht glücklich zu machen und durch das neueste Trend-Gadget ersetzt zu werden. Menschen kommen allenfalls als naturkatastrophenartige Störfaktoren vor in ihrem ritualisierten Spielzeug-Kosmos, durch den sie sich mit der Schwerfälligkeit bewegen, die ihre Materialen vorgeben. Der fundamentalste Unterschied aber besteht darin, das die Pixar-Filme qua Medium gezwungen sind, ständig neue Welten aus dem digitalen Nichts heraus zu erfinden, weshalb sie sich umso stärker in Konventionen erden – denen Hollywoods, zunehmend auch selbstgeprägten. Bartas Film dagegen nutzt digitale Effekte nur sporadisch; seinen Ursprung hat er (und mit ihm der tschechische Trickfilm an sich) weniger im Erfinden als im Suchen und Sammeln, er geht aus von dieser Welt und den Gegenständen in ihr, ihrer Materialität, ihren Texturen, Oberflächen, ihrer Haptik und den Gebrauchspuren, die in ihnen eingelassen sind – Spuren von Geschichten, die wortwörtlich begriffen werden sollen.

Jan Svankmajer, ein weiterer tschechischer Regisseur von Weltrang, erklärt in einem „Dekalog“ zu den Prinzipien seines Schaffens ausdrücklich den Sehsinn als zweitrangig gegenüber dem Tastsinn. Dieser sei älter und erlaube fundamentalere Erfahrungen. Und Svankmajer fährt fort:

"In der Animation geht es nicht darum, unbelebte Dinge in Bewegung zu versetzten, sondern darum, sie zum Leben zu erwecken. Bevor man ein Objekt zum Leben erwecken kann, muss man es verstehen. Nicht seine utilitäre Funktion, sondern sein Innenleben. Objekte, besonders ältere, sind Zeuge gewesen von bestimmten Ereignissen, der Zuneigung von Menschen, ihrem Schicksal, Dingen, die sie geformt haben. Menschen haben sie berührt in verschiedenen Situationen, in verschiedenen Gemütslagen, und sie haben diese unterschiedlichen Befindlichkeiten den Gegenständen eingeprägt. (…) Objekte zum Leben zu Erwecken durch Animation muss ein natürlicher Prozess sein. Das Leben hat aus ihnen selbst zu kommen, und nicht aus den Launen ihres Animators. Tue nie einem Gegenstand Gewalt an! Erzähl nicht mit ihm deine Geschichten, erzähle seine eigenen."

Hierin liegt die Faszination des Prager Animationschaffens begründet, der Kern dessen, was es für westliche Augen gleichzeitig so befremdlich und vertraut erscheinen lässt: Es zelebriert die Animation des Kaputten und Schadhaften als Triumph der Kunst, der Objekte und des Lebens zugleich. Die Prager Animatoren haben sich mit dem Riss arrangiert, der durch die Stadt geht: Der Zerfall und die Zerstörung werden überwunden, in dem sie als Spuren der Geschichte begrüsst werden.

 

Die Reise geht weiter


Jakub Dovrský versteht sich ausdrücklich als Fortführer dieses Schaffens. An der VŠUP sah man dies allerdings anders. Dovrský Abschlussarbeit blieb eine Höchstnote verwehrt, weil sie in einem nicht unwesentlichen Punkt abweicht von der Tradition: „Samorost“ ist kein Film, sondern ein Computerspiel. Jenseits der Mauern der Kunstakademie sollte sich dies freilich nicht als Nachteil erweisen – im Gegenteil: Nachdem Dovrský „Samorost“ im Internet kostenlos verfügbar gemacht hatte, fand es rasch Bewunderer in aller Welt. Die Band „Polyphonic Spree“ etwa, die BBC oder Nike, die allesamt Spiele beim jungen Tschechen in Auftrag gaben. Die Zwecke waren unterschiedlich – „The Quest for The Rest“ dient der Werbung für ein Album der Band, „Rocketman VC“ propagiert die Überlegenheit eines Schuhs und „Questionaut“ unterrichtet Kinder in grundlegenden Fragen verschiedener Schulfächer. Gemeinsam ist den kurzen Auftragsarbeiten aber, dass sie die ersten kommerziell vertriebenen Projekte des bald zum Klein-Studio angewachsenen Entwicklerteams mitfinanzierten: „Samorost 2“ und „Machinarium“. Gemeinsam ist den Spielen aber auch eine Ästhetik, die Dovrský Anspruch auf das Erbe der tschechischen Animation tatsächlich einlöst.

Den Fingern geben Dovrský und Co. nicht viel zu tun. Wo andere Spiele die Kompetenz des Bedieners in Aktionen pro Minute bemessen, schlagen Amanita Design ein gemächliches Tempo an. Die wichtigste Fertigkeit ist Beobachtungsgabe, die zweitwichtigste Kombinationsfähigkeit. An Feinmotorik dagegen wird nicht mehr gefordert als notwendig ist, um das Spiel per Doppelklick zu starten. Jenseits des Doppelklicks liegt in allen Amanita-Spielen erstmals ein Bruchstück einer Welt, die sich der Entdeckung auf den ersten Blick verschliesst. Der Bildschirmausschnitt lässt sich nicht verschieben: What you see is what you get. Allerdings wird dem Auge auf den zweiten Blick in jedem einzelnen Ausschnitt durchaus genügend geboten: Amorphe Objekte, die ebenso gut Fossilien wie Schrott sein könnten; mechanische Gebilde, die dem Auge vertraut sind dennoch fremdartig wirken; und hier und dort Bewegung und Bewuchs, die auf Leben schliessen lassen. Aus der Obskurität der Welt, der Objekte und Lebewesen entwickelt sich das Spiel. Die Spielerin nämlich kann an diese Welt Hand anlegen, in die sich der Mauszeiger über jedem manipulierbaren Objekt verwandelt. Ein Klick auf die richtige Stelle setzt die Welt – oder wenigstens einen Ausschnitt daraus, einen Hebel etwa oder eine Kreatur – in Bewegung: Eine kurze Animation wird abgespielt, die an ihrem Ende meist wieder an ihren Anfang zurückführt und erst in der Verkettung mit anderen Aktionen zu entscheidenden Veränderungen führt. Massgeblich ist nun aber, dass nie offensichtlich ist, was eigentlich zum Leben erweckt werden kann. Wo potentiell alles von Bedeutung ist, ist auch alles von Interesse – Dovrskýs Kreationen können sich einer Aufmerksamkeit sicher sein, von der die meisten Filme nur träumen können. Ebenso wenig ist auf Anhieb erkennbar, welche Reaktion auf einen Mausklick erfolgen wird.

Die Gesetze der Welt verändern sich mit jedem neuen Segment, aber erst wenn sie verstanden wurden, kann die Erkundung fortgesetzt werden. Durch Formulieren, Testen und Verwerfen stummer Hypothesen (gelegentlich auch durch unsystematisches Rundum-Geklicke) erschliesst sich nach und nach die Logik dieser Mikrobiotope: Ein Klick offenbart im hohlen Bauch eines Baumes ein eichhörnchenartiges Wesen mit Menschengesicht, das sich verstimmt die Hände auf die Ohren presst; ein weiterer Klick auf einen Wurm im Baum lockt einen Specht hervor, der ihn frisst; das Menschengesicht auf dem Eichhörnchenkörper wandelt sich zum Lächeln, nachdem der Wurm, Quell allen Lärms, aus der Welt getilgt wurde; die nun frei gewordenen Eichhörnchenhände können auf einen weiteren Klick das Grammophon bedienen, das den grössten Teil des hohlen Baums einnimmt, und einen träge dösenden Uhu aus dem Schlaf erweckt, und drei Klicks später steht der Weg zum nächsten Segment offen. (Der Name des Studios leitet sich übrigens ab von der lateinischen Bezeichnung des Knollenblätterpilzes. Eine gewisse vernebelte Merkwürdigkeit, die freilich auch dem Prager Surrealismus nahe steht, trägt zum Charme der Spiele jedenfalls entschieden bei.) Der sonst zur Esoterik neigende Fachwortschatz hat sich zur Bezeichnung dieser Spiele ein anschauliches Wortgebilde ausgedacht: Amanita Design macht „Click&Point-Adventures“, eine Gattung, die anfangs der 90er-Jahre einen steilen Auf- und kaum fünf Jahre darauf einen ebenso steilen Abstieg erlebte. Erst vor Kurzem wurde ihr über die digitalen Distributionskanäle wieder Leben zugeführt. Während ihrer Auszeit lag sie offensichtlich auf der faulen Haut – „Click&Point-Adventures“ sind ein eher behäbiges Genre, an dem all die Hype-Konzepte der letzten Jahre spurlos vorübergegangen sind. Wenige Spiele sind weiter entfernt von der Idee einer „sich dynamisch verändernden Spielwelt“, eines „Sandbox-Spiels“ oder auch nur „sozialer Interaktion“. In ihrer pursten Form ähneln diese Spiele vielmehr interaktiven Filmen: Der Aktionsradius der Spielerin beschränkt sich im Grunde genommen darauf, vorgefertigte Animationen und Dialoge per Mausklick auszuwählen.

Im Gegenzug bedeutet dies für die Entwickler, dass sie beinahe komplette Kontrolle über das Spiel haben. So überrascht es auch nicht, das viele „Click&Point-Adventures“ auf den „Abenteuer“-Teil der Formel setzen: Sie profitieren von der statischen Natur der Gattung und decken die wehrlose Spielerin mit Handlungsfetzen und Dialogen ein, angereichert vorzugsweise mit einer Prise Humor, so dass die schlechtesten Vertreter der Gattung eine Art ständiger iocus interruptus sind, ein Sitcom-Ersatz, der seine Dialoge statt mit Pointen mit Rätseln rhythmisiert. Die weitestgehend wortlosen Spiele von Amanita Design dagegen ähneln eher einer Mischung aus Ameisenfarm, „Wo ist Walter“-Büchern und Rubric’s Cube. Ganz verzichtet wird auf eine Erzählung zwar nicht; die beiden „Samorost“ etwa haben mit einem bemützten Gnom einen Protagonisten, der auch einen Konflikt lösen muss (die Rettung eines Hundes, bzw. seines Heimatplaneten). Letztlich aber ist der Gnom weniger dazu da, Empathie auszulösen, als die Spielerin im Zaum zu halten, die trotz aller Macht über ihn und die Spielwelt in ihrem Fortschritt an das Weiterkommen des kleinen Kerls gebunden ist. Erst wenn sich der Weg für ihn öffnet, steht er auch der Spielerin offen. Dennoch sind Klicken und Zeigen sind in Amanita-Spielen letztlich wichtiger als das Abenteuer – der Protagonist ist bloßes Vehikel, im Zentrum stehen die Welt und ihre Logik, die sich auf Mausdruck erschließen. Eine Welt, durch die klar erkennbar der Riss geht. Nach den Einflüssen auf sein Werk gefragt, erwähnt Jakub Dovrský erst an zweiter Stelle Grössen des tschechischen Animationsfilms wie Karel Zehman und Jan Svankmajer oder Klassiker der goldenen Adventure-Ära wie „Day of The Tentacle“ oder „Gobliins“. Wichtiger noch für sein Schaffen seien seine Spaziergänge und sein Sammeltrieb. Der Titel seines ersten Spiels zeugt davon: „Samorost“ ist ein tschechisches Wort, das stehen kann für einen nichtsnutzigen Menschen, aber auch für ein menschenähnliches Stück Holz. Dovrskýs spricht sich offen aus für seine Liebe zur Wäldern, zu Abfallhalden, verrottetem Holz, rostigen Maschinen und „jenem Prozess, wenn menschengemachte Objekte so lange liegen bleiben in der Natur, bis sie darin aufgehen“. Diese Liebe zum Zerfall infiziert alle Spiele von Amanita Design. In den „Samorost“-Spielen modellierte Dovrský seine Welt aus kruden Kritzeleien, aber auch aus Fotografien von Objekten, die er auf seinen Wanderungen angetroffen hatte und die selbst in ihrer digitalisierten Form noch unverkennbar die Züge von Verwesung und Verwandlung tragen. Doch selbst in den detaillierten Handzeichnungen, die in „Machinarium“ die Fotos vollständig ersetzen, findet sich die Affinität für den Zerfall und die von ihm gezeichneten Oberflächen und Texturen: Das Spiel beginnt damit, dass der Protagonist, ein Roboter, sich auf einer Müllhalde selbst zusammensetzen muss. Auch die restliche Welt ist der von „Samorost“ näher, als der Schauplatz vermuten lässt: „Machinarium“ mag zwar in einer Stadt spielen, die von Robotern für Roboter gemacht wurde und alles Organische durch Metall, Zahnräder und Drähte ersetzt hat – aber selbst hier gilt es seltsame Rituale und Gesetze zu entdecken, auch hier ist der Rost letzter Herr der Dinge, und die Natur erschleicht sich zaghafte Triumphe in Form von Flechten und Pflanzenkeimen, die sich mit dem Metall arrangiert haben.

So endet die Reise

Auch feinere Spuren der Herkunft und Ausbildung ihres Machers finden sich in allen Werken von Amanita Design: Im „Josef“ genannten Robo-Protagonisten aus „Machinarium“, etwa – zugleich eine Hommage an das tschechische Brüderpaar, das den Begriff „Roboter“ erfunden hat und ein Verwandter all der „künstlichen Menschen, Golems, Marionetten, Wachsstatuen, Panoptikumsfiguren, mechanischen Puppen und Automatenwesen“, die, wie Angelo Maria Ripellino uns erinnert, die Prager Kunst seit jeher bevölkern. In der eigenwilligen Entscheidung, diesen Josef und alle anderen Figuren in „Machinarium“ zu animinieren in einer Art aufwändigem 2D-Stop-Motion-Verfahren, das im Film weit üblicher ist als im Computerspiel. Oder auch in den mitgenommenen Puppen, die Jakub Dovrský jüngst für den Stop-Motion-Film „Kooky“ von Jan Sverák gestalten durfte. Die eine grosse Spur aber ist jener Riss, der Zerstörung von Bewahrung trennt, Zerfall von Entstehung, und der sich vom Platz der Republik aus quer durch die gesamte Geschichte des tschechischen Animationsfilms zieht, an der Prager Kunstakademie vorbei hin zum Amanita-Studio in Br?o, und von dort aus schnurstracks weiter durch die bewohnten Fels- und Grashalden „Samorosts“ führt, bis er zwischen den korrodierenden Häusern „Machinariums“ abreisst, inmitten eines kreisrunden Platzes, vor den Füssen eines greisen Roboters im Rollstuhl, der auf Mausklick alle Gebrechen ablegt und seine Füsse zappelnd gen Himmel wirft, einem Kind gleich, das das Leben zelebriert.

 

Dieser Artikel erschien ursprünglich beim Titel-Magazin. Eine überarbeitete Version erschien auch im Print In: Rudolf Inderst; Peter Just (Hrsg.), Contact. Conflict. Combat. Zur Tradition des Konfliktes in digitalen Spielen (133-144).

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